Fruchtsaft, naturtrüb

Kolumne «Apero», Handelszeitung– 05. November 2020

Hopfen macht das Bier bitter. Heute aber wollen wir über sein Aroma reden. Wer nur Lager und Edelspez trinkt, kennt dieses vermutlich nicht. Denn bei klassischem Schweizer Bier schmeckt man den Hopfen kaum bis gar nicht – böse Zungen sagen, das sei das eigentliche Erkennungsmerkmal des Schweizer Bierstils. Doch dazu ein anderes Mal

Hopfen kann mehr, als bloss Bitterkeit auf die Zunge zaubern. Er kann blumig riechen, harzig anhängen und manchmal fast ein wenig käseln. Oder so tun, als hätte man eine frische Südfrucht ins Bier gepresst. Das glauben Sie nicht? Dann schenken Sie sich doch mal ein Neipa ein. Die in den letzten Jahren in Mode gekommenen New England India Pale Ales – so lautet der Name ausgeschrieben – haben gemein, dass sie obergärig gebraut, trüb und stark gehopft sind. Dabei wird der Hopfen aber mehrheitlich nicht ausgekocht, sondern bloss «gestopft». Er wandert nach dem Brauvorgang in grossen Mengen in die bereits kalte Würze im Gär- oder Lagertank. Und gibt dann lediglich seine reinen Aromen ab. Und kaum Bitterstoffe.

Dabei greifen die Brauer gerne zu amerikanischen Hopfensorten wie Citra, Amarillo oder Simcoe, die besonders fruchtig schmecken. Im Ergebnis sind diese Biere aromatisch, ohne zu bitter zu werden. Und weil der Hopfen nach einem Gleichgewicht schreit, haben sie nicht selten auch etwas mehr Alkohol. Wer gerne Auto fährt, sollte lieber die Finger von Neipas lassen. Sie sind heimlifeiss.

Besonders angetan hat es mir jüngst das Love & Hate der britischen Vocation Brewery mit seinem Mango-Aroma. Es ist so intensiv, wie ein Neipa nur sein kann, und dient prima dazu, diesen Bierstil kennenzulernen. Auf der harzigen Seite liegt das Hazy IPA der kroatischen Garden Brewery, das ich vor kurzem im Basler «Bierrevier» gezapft bekam. Es ist eher für fortgeschrittene Hopfenforscher. Leckere Schweizer Neipas gibts unter anderem von Kitchen Brew (BL) oder White Frontier (VS).

Wenn Sie sich fragen, wie das Bier zu seinem Namen kam: «New England» heisst es, weil es im Osten der USA kreiert wurde. Und «India Pale Ale» wäre eine eigene Kolumne wert. Kurz: Im 19. Jahrhundert begannen die Briten, stark gehopfte Biere in ihre Kolonien zu verschiffen. Und weil diese die lange Reise nicht nur gut überstanden, sondern auch noch gut schmeckten, bewarben die Brauer das Bier in der Heimat mit dem Verweis auf das exotische Indien.

Typisch

Es sieht aus wie ein Mango-Lassi und schmeckt auch beinahe so. Gebraut wird dieses intensive Neipa jedoch ganz traditionell und ganz ohne Früchte: Mit Gerstenmalz, Hopfen und einer guten Portion Hafer für die sämig- trübe Konsistenz. Love & Hate heisst es laut den Brauern, weil es Liebhaber schlanker, klarer Lagerbiere nur hassen können. Wers dagegen fruchtig mag, wird das Neipa der Brauerei aus dem zwischen Leeds und Manchester gelegenen Hebden Bridge lieben. Wie alle hopfenlastigen Biere sollte man auch dieses nicht lange lagern.

Love & Hate Vocation Brewery, Hebden Bridge, UK. New England IPA, 7,2% vol. Alk., 4,4 dl für circa 7 Franken.

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