Basler Zeitung– 21. August 2003
Hervorgehoben: Anita Treml, Brauerei Fischerstube AG
Basel. Im Hof des Restaurants Linde ist es angenehm kühl – es ist ja auch erst Vormittag. «Bis vor kurzem gab es hier noch keine Tische», sagt Anita Treml. Aber im Sommer hätten die Leute keine Lust, drinnen zu sitzen und so sei dieses Höflein zur Gartenwirtschaft geworden. Die Frau, die dem Besucher die «Linde» zeigt, hat aber nur indirekt etwas mit der Beiz zu tun. Zwar arbeitet sie hier, kennt alle Leute und hat ihr Büro gleich nebenan. Ihr Arbeitgeber ist aber nicht der Pächter des Restaurants, sondern die Brauerei Fischerstube. Anita Treml ist Geschäftsführerin der Bierproduzentin, die auch die «Linde» mit ihrem Ueli Bier beliefert.
Als Chefin sieht sie sich aber nicht gerne. Ihr Führungsverständnis ist es, sich nicht als Führerin zu sehen. Zwar ist sie für die Finanzen, das Marketing und die Planung verantwortlich, dem Braumeister Anton Welti wolle sie aber nicht dreinreden. «Wir sind ein Team und entscheiden vieles gemeinsam», sagt die gelernte Betriebsökonomin.
Mit Bier hatte sie lange nicht viel am Hut, mit dem Kleinbasel auch nicht. Aufgewachsen ist sie nämlich auf dem Land – in Arlesheim und im Laufental. Nach dem KV arbeitete sie bei einer Bank, um sich die Ausbildung an der HWV zu finanzieren. Später stand sie im Dienst der Basler Steuerverwaltung. Hier fühlte sie sich aber nicht zu Hause: «Das Klima war einfach zu starr». Es folgte ein Sprachaufenthalt und ein Entwicklungshilfe-Einsatz in Mittelamerika («Latrinen und Wasserleitungen bauen»). Zurück in Basel fand sie Arbeit im Büro der Kulturwerkstatt. Diese Welt stimmte damals für sie.
GV unter dem Weihnachtsbaum
Ins Biergeschäft kam sie über ihren Ehemann, Thomas Nidecker. Dessen Vater, Hans Jakob Nidecker, gründete 1974 die Kleinbasler Bierbrauerei. «In der Familie wurde damals immer viel über die Brauerei diskutiert», erzählt Treml. Zeitweise sei es sogar vorgekommen, dass an Weihnachten noch kurz eine Sitzung abgehalten wurde. Weil sie in der Kleindynastie der Nideckers die einzige Betriebswirtin war, habe sie sich auch öfters mal ins Geschäft «eingemischt», womit sie sich nicht immer beliebt gemacht habe.
Nach der Geburt ihrer ersten Tochter – Sophia und Silja sind heute 6 und 9 Jahre alt – zog sie sich aus der eher hektischen Welt der Kulturveranstaltungen zurück, um ganz ihr erstes Kind «zu geniessen». Daneben machte sie die Buchhaltung der «Fischerstube» und immer mehr übernahm sie Aufgaben von ihrem Schwiegervater, dem damaligen Geschäftsführer. Als sich dieser 1998 ganz aus der Firma zurückzog, wurde sie seine Nachfolgerin.
«Hang zum Chaos»
Die Welt der Anita Treml veränderte sich. Statt Kultur managt sie heute einen Kleinbetrieb, das Klybeck-Quartier, wo sie anfänglich wohnte, tauschte sie gegen das Hirzbrunnen. Geblieben sei ihr Hang zum Chaos, meint sie. Aus dem grossen Garten an der Kleinriehenstrasse könnte man viel mehr machen, wenn doch nur Zeit dafür wäre, sagt sie.
Die ambitionierte Unternehmerin spürt man bei ihr sofort. Sie selber beschreibt sich als «arbeitswütig, kritisch und diszipliniert». Am liebsten habe sie die strategische Planung, erzählt sie. Mit einem leichten Bedauern sagt sie: «Ich hätte schon Ideen, wie man noch mehr Bier verkaufen könnte.» Das Verkaufen ist für sie kein Problem. Wohl aber die Produktion.
Denn mengenmässig ist die Brauerei längst an ihre Grenzen gestossen. Im Hinterhof und im Keller von zwei alten Häusern eingerichtet, sind die jährlich 2400 Hektoliter Bier, die heute produziert werden, das Maximum des Möglichen. «Das ist wie eine Puppenstube», beschreibt sie die bis auf den letzten Quadratmeter genutzten Räume. Möglich wäre eine grössere Steigerung des Ausstosses nur durch die Auslagerung der Produktion. Diese wird aber nicht erwägt. «Die Leute schätzen es, dass sie das Bier da trinken können, wo es gebraut wird», sagt sie. «Hier nur die Fassade aufrecht zu erhalten, kommt nicht in Frage.»
Anita Treml ist ein Bier-Fan, wenn auch kein Freak. Für Fachauskünfte verweist sie auf Braumeister Welti. Sie plane ihre Ferien auch nicht nach der Bierqualität der Reisedestinationen, sagt sie. Dennoch. Die letzten Ferien verbrachte sie in Belgien, und beim Gedanken ans dortige Bier bekommt sie dieses Glänzen in den Augen – so, wie wenn ein Kunstliebhaber von einem Picasso schwärmt. Im Kühlschrank, der im Büro steht, befinden sich noch ein paar Flaschen des dunklen Bieres, die sie von dort importiert hatte. Ob sie diese dem Brauer mitgebracht habe? Sie lacht. «Der kennt natürlich schon alles.»
Ihre Favoriten aus dem eigenen Sortiment sind das «Spez» und das Weizenbier. «Das Weizen trinke ich gerne, wenn ich einen besonders grossen Durst habe», sagt sie. «Allerdings komme ich viel zu wenig zum Biertrinken. Ich möchte mehr Bier trinken.» Bier am Arbeitsplatz ist für sie zwar normal, getrunken wird es aber nur selten. Arbeit und Vergnügen sollen getrennt bleiben.
Wenn es um die Suche nach Fotomotiven geht, posiert die Frau, die das Marketing ihre Lieblingsaufgabe nennt, aber gerne mit einer frisch gezapften Stange. «Ausserdem ist es schon elf Uhr, ab dann darf man», sagt sie.
Immer wieder Neues probieren
Neue Biere? «Ich sähe gerne wieder einmal ein Bier aus mehreren Getreiden», sagt sie. Bisher waren diese ein Erfolg. Und auch die starken Biere haben es ihr angetan. «Ich bin halt schon ein wenig auf den Geschmack des belgischen Bieres gekommen.» Gehaltvoll und nicht allzu bitter müsste es sein. Der Vorteil einer kleinen Brauerei sei es, öfters einmal etwas ausprobieren zu können. Und weil eine Brauerei von guten Bierideen lebt, wird wohl noch die eine oder andere Ferienerinnerung von Anita Treml – Ueli-mässig umgesetzt – den Weg in die «Linde» oder die «Fischerstube» finden.
Michael Heim