Glosse
Basler Zeitung / ProLitteris / Heim Michael– 17. September 2004
«Bier wie in den guten alten Zeiten» will uns die Brauerei Feldschlösschen verkaufen. Wie das aussah, erzählt sie uns in den Inseraten für ihr neues Bier «Urtrüb 1876». Damals konnten «Frauen noch kochen» und mussten Männer «noch keine Hausarbeit verrichten». In Zürich schwärmt die Aargauer Brauerei von den Zeiten, «als es in Zürich noch fast keine Aargauer gab».
Die Schlossherren wollen damit aber keine Rentner oder Ewiggestrigen ansprechen. Nein: Uns Junge haben sie im Visier. «Wir sind überzeugt, dass die junge Zielgruppe den Witz verstehen wird.» Tun wir das?
Unsere «guten alten Zeiten» – sofern man diese mit 26 Jahren überhaupt haben kann – sahen anders aus. In der Schule wurde Gleichberechtigung gelehrt (wir Buben bekamen im Turnen von den Mädchen auf die Kappe), und zu Hause wartete die Hausarbeit auf meine Schwester und mich. Nichts mit Ausruhen!
Bezogen aufs Bier waren die alten Zeiten alles andere als gut. Das Bierkartell mit seinen drei Standardsorten verhinderte damals jede Innovation. Kartellbier! Getrunken haben wir es nicht. Aber das hatte nichts mit dem Bier zu tun, denn in unseren guten alten Zeiten, liebe Bierbrauer, standen wir noch auf Fanta Mango.
michael.heim@baz.ch