Basler Zeitung – 23. August 2005
Mit einem deutschen Bier will der Basler Wirteverband die Schweizer Brauereien unter Druck setzen. Der Schweizer Brauerei-Verband hält dies für eine «dumme» Idee.
Der Basler Wirteverband ist sauer. In den vergangenen fünf Jahren sei der Einkaufspreis für offenes Bierteilweise um bis zu 20% angestiegen, schreibt er in einem Brief an seine Mitglieder (siehe Tabelle unten rechts). Diese Entwicklung stehe im «krassen Gegensatz» zu den Preisen im Detailhandel, wo die Preise kaum zugelegt hätten. Der Wirteverband will deshalb billigeres Bier aus dem Ausland importieren und dieses den Wirten anbieten. 1.80 Fr. müssten sie pro Liter für das «deutsche Qualitätsbier» bezahlen. 30 bis 50% weniger als für Schweizer Bier, rechnet der Verband.
Die hohen Schweizer Preise seien schon lange ein Thema, sagt Vorstandsmitglied Maurus Ebneter. Nicht nur gegenüber dem Detailhandel würde der Gastropreis immer höher. Auch der Unterschied zum Ausland nehme zu. «Die Schere hat sich geöffnet», sagt Ebneter.
Der Schweizer Brauerei-Verband hält die Idee mit dem deutschen Bier – erwartungsgemäss – für «unklug», «dumm» und zu «kurzfristig gedacht». Direktor Konrad Studerus hat gestern über die baz vom Vorhaben der Wirte erfahren. «Ich halte nicht viel von dieser Aktion. Das ist eine der üblichen Massnahmen ausländischer Hersteller, um auf den Schweizer Markt zu kommen.» Der Wirteverband betont aber, es handle sich nicht um ein «Einführungsangebot». Im Gegenteil. Er hofft, den Preis nach Ablauf der 12-monatigen Probefrist weiter senken zu können.
Wirte sind gebunden. Die Schweizer Brauer haben jedoch Trümpfe in der Hand: Sie haben die Beizer mit langfristigen Lieferverträgen und Darlehen an sich gebunden. Oft gehören ihnen auch die Zapfanlagen am Tresen. Zwar haben die Brauer begonnen, diese Dienstleistungen abzubauen und Darlehensgeschäfte an Drittanbieter auszulagern. Doch noch immer seien gut zwei Drittel der Gastro-Betriebe an ihren Lieferanten gebunden, schätzt Brauerei-Vertreter Studerus. Möchte ein Wirt den Lieferanten wechseln, muss er – sofern er den Liefervertrag künden kann – allenfalls Darlehen zurückbezahlen und sich eine neue Ausschank-Anlage besorgen. Und vom Billig-Lieferanten bekommt er diese nicht.
Der Wirteverband weist denn auch selber auf diese Problematik hin. Im Brief an die Mitglieder heisst es: «Dieser Nettopreis geht (…) davon aus, dass keine weiteren Leistungen erwartet werden wie Gläser, Bierteller, Werbemittel und Verkaufsförderungsbeiträge». Wie sehr sich dadurch der Preisvorteil verringert, kann Ebneter nicht sagen.
Die Stange Bier dürfte für den Gast kaum billiger werden. Zwar rechnet Ebneter mit einer Kostenersparnis von etwa 15 Rappen pro Glas. Bei der Frage, ob die Wirte diese an die Kunden weiter geben würden, weicht er aber aus. Die Ertragslage der Betriebe sei schwach und die Materialkosten seien nur zweitrangig, wenn es um die Kalkulation des Verkaufspreises gehe.
Ebneter geht es in erster Linie darum, mit der Aktion etwas «in Bewegung zu bringen». Er wolle die Preisdifferenz zwischen der Gastronomie und dem Detailhandel verringern, und er hofft, dass die Brauer angesichts der ausländischen Konkurrenz unter Druck kommen. Für die Beizer wäre es billiger, ausländisches Dosenbier zu importieren, als Schweizer Fassbier auszuschenken.
Wenig Markenbewusstsein. Darüber, dass die Gäste das markenlose Bier nicht akzeptieren würden, macht sich Ebneter keine Sorgen. «Im mittleren Preissegment ist das Markenbewusstsein nicht sehr hoch», sagt er und verweist auf das im Detailhandel verkaufte Bier. «Schliesslich gibt es auch keine ‹Tell›-Brauerei. Coop kauft das Bier bei dem Brauer ein, der es am günstigsten produziert.»
Zudem handle es sich beim deutschen Lieferanten um eine anerkannte Qualitätsmarke. «Wir werden den Namen später bekannt geben, können ihn jetzt aber noch nicht mitteilen», sagt Ebneter. Ob das Bier dereinst auch unter seinem Namen verkauft werden kann, weiss er noch nicht. Joseph Schüpfer, Präsident des Wirteverbandes, fügt an, es liege eine gewisse «Brisanz» im Namen des Herstellers. Die Vermutung, es handle sich um die Tochtergesellschaft eines bereits in der Schweiz präsenten Konzerns, möchte er nicht kommentieren.
Das Projekt stehe noch nicht ganz, sagt Schüpfer. Es komme darauf an, wie viele Betriebe das neue Angebot wahrnehmen wollen. «Es ist eine Idee, und wir können sie auch umsetzen. Ich bin fähig, schon morgen das Bier zu liefern, wenn die Nachfrage besteht.» Als Abnehmer hat der Basler Wirteverband die Restaurants in beiden Basler Kantonen ins Auge gefasst. Der Baselbieter Wirteverband beteiligt sich nicht an der Aktion – wohl aus Rücksicht auf die Liestaler Brauerei Ziegelhof.