Alois Gmür: «Die Leute wollen andere Biere»

Bierbrauer und CVP-Politiker Alois Gmür zu übertriebener Prävention und linksalternativen Kunden

Schweiz am Sonntag / MLZ– 29. Juni 2014

In den letzten Jahren konnte die Brauerei Rosengarten mit ihrem Einsiedler Bier den Umsatz stark steigern. Erstmals wird sie dieses Jahr mehr als 2 Millionen Liter Bier verkaufen.

Ein feiner Malzduft liegt in der Luft. Alois Gmür steht im Sudhaus der Brauerei Rosengarten und blickt durch die Luke in den kupfernen Maischebottich. Bier entsteht. Hier in Einsiedeln SZ braut der CVP-Nationalrat Bier, das nicht nur in der Region, sondern zunehmend im Flachland verkauft wird. Etwa in der linksalternativen «Reithalle» in Bern.

Herr Gmür, der Sommer hat begonnen, die WM läuft. Wie stark haben Sie die Produktion hochgefahren?

Alois Gmür: Wir haben sicher mehr Umsatz als normal. Vor allem der Einfluss des Wetters ist gross, das kann schnell mal 25 Prozent mehr oder weniger ausmachen. Letztes Jahr war das Wetter so schlecht, dass wir kaum wussten, wie wir die Leute beschäftigen sollen.

Und 2014 läuft besser?

Ja. Wir haben 10 Prozent mehr Umsatz als im Vorjahr.

Screenshot: Schweiz am Sonntag vom 29.6.2019

Der Schweizer Biermarkt schrumpft, wie schlagen Sie sich?

Wir werden dieses Jahr wohl erstmals mehr als 2 Millionen Liter Bier verkaufen. Wir wachsen seit langem. Noch vor zwanzig Jahren lag unser Ausstoss bei der Hälfte des heutigen Werts.

Wie geht das?

Sie können den Absatz auch steigern, indem Sie neue Sorten einführen. Das haben wir getan. Wir waren die erste Brauerei in der Schweiz, die mit Mais ein Bier braute, und haben mit verschiedenen Spezialitäten nachgezogen. Zuletzt lancierten wir im vergangenen Jahr ein Weizenbier , das sich sehr gut verkauft.

Das hatten Sie zuvor nicht?

Nein. Das Weizen hat eine spezielle Geschichte: Mein Sohn hat letztes Jahr in München seine Ausbildung zum Braumeister abgeschlossen. Als Abschluss arbeit hat er dann ein bayrisches Weissbier entworfen, das so gut herauskam, dass wir es ins Sortiment aufnahmen. Sie sehen, die Nachfolge ist gesichert.

Sind diese Spezialitäten nur Kür, oder lohnen sich diese auch finanziell?

Die lohnen sich sehr. Der Preiskampf ist da längst nicht so stark wie beim Lagerbier. Und wir machen die Hälfte des Umsatzes mit Spezialitäten. Das ist deutlich mehr als bei anderen Brauereien.

Sie wachsen zunehmend über Ihre Region in der Innerschweiz hinaus. Helfen Ihnen diese Spezialsorten dabei?

Ja. Wir können so neue Kundschaft ansprechen, denn das Interesse an speziellen Bieren ist gross und nimmt weiter zu. Das sieht man auch am Boom sogenannter «craft beers» von Kleinbrauereien aus dem In- und Ausland. Der letzte Trend ist das Spiel mit neuen Hopfensorten. Die Leute wollen andere Biere, und sie wollen sie aus der Schweiz.

Wie viel Bier verkaufen Sie ausserhalb des Stammgebiets um Einsiedeln?

Mittlerweile gehen 30 Prozent in die restliche Schweiz. Darunter hat es Quartierbeizen bis nach Zürich, Basel und Genf. Dank der Auslieferung über Getränkehändler können wir auch dort preislich mithalten, selbst wenn es nur einzelne Abnehmer sind.

Es fällt auf, dass Sie sich als ländliche Brauerei ausgerechnet in der alternativen Szene der Städte etablierten.

Das war eine Reaktion auf die Globalisierung. Als Carlsberg und Heineken in der Schweiz immer mehr Brauereien kauften, machte sich die linke Szene auf die Suche nach neuen Lieferanten. Die Berner «Reithalle» holte Offerten von allen Brauereien in Schweizer Besitz ein.

Und Sie setzten sich durch.

Ja. Das sind durchaus kritische Kunden, die genau wissen wollen, wie wir arbeiten und wem wir gehören. Die fragen die Chauffeure auch mal, ob sie zufrieden sind mit den Anstellungsbedingungen. Gleichzeitig ist die Szene eng vernetzt, Empfehlungen werden weitergereicht. So konnten wir zahlreiche Abnehmer gewinnen.

Ausgerechnet Sie, der CVP-Politiker aus der konservativen Urschweiz. Das ist doch eine ganz andere Welt.

Ja und nein. Wir stehen beide für Werte ein, die uns wichtig sind.

Die Konservativen von links und rechts treffen sich beim Bier?

Irgendwie schon. Uns geht es nicht einfach ums Geld, sondern um das Ganze.

Ist das Wegsterben der Kleinbraue reien eigentlich abgeschlossen?

Allzu viel kann da ja nicht mehr zusammengekauft werden. Die letzte grosse Übernahme war Eichhof durch Heineken im Jahr 2008. Ich glaube, damit ist die Konsolidierung abgeschlossen.

Sie präsidieren den Verband der mittelständischen Brauereien mit Namen wie Müller, Locher/Appenzeller und Falken. Sind Ihre Mitglieder gesund?

Im Prinzip schon. Es gibt sicher ein paar mit Verbesserungspotenzial. Viele haben in den letzten Jahren stark aufs Marketing gesetzt und haben die Investitionen in die Brauanlagen etwas vernachlässigt.

Wie sehr hat Ihre Brauerei von der Konsolidierung profitiert?

Wir haben stark profitiert und konnten Kunden übernehmen. Vor kurzem hat Eichhof die Abfüllung in Luzern eingestellt. Viele Luzerner sehen das gar nicht gerne. Das hat uns bereits wieder neue Abnehmer gebracht.

Die Branche als Ganzes verliert.

Ein Grund dafür ist der Import. Schauen Sie sich mal an, wie viel Billigbier heute in Dosen importiert wird.

Sie versuchten, über eine parlamentarische Initiative ein obligatorisches Depot einzuführen und sind gescheitert.

Ja, gegen das Lobbying der Detailhändler und der grossen Abfüller kommen Sie mit so was nicht an. Erst hatte ich noch die Bauern auf meiner Seite, die zu den Hauptleidtragenden des Mülls an den Strassenrändern gehören. Doch am Ende sind die auch gekippt. Schauen Sie sich Deutschland an, da werden nur 5 Prozent in Büchsen verkauft. Bei uns ist es ein Drittel. Das ist doch einfach ein Ressourcen-Verschleiss!

Ihre eigene Branche hat wenig Freude an solchen Aussagen.

Natürlich, die Mehrheit ist gegen mich. Ich bin, was Dosen- und Einwegflaschen anbelangt, ein rotes Tuch für sie. Selbst Brauereien in unserem Verband setzen auf Dosenbier, Locher in Appenzell hat gerade eine eigene Abfüllanlage in Betrieb genommen.

Die Brauereien suchen nach neuen Geschäften, der Markt schrumpft seit Jahren. Was machen sie falsch?

Alleine die neue Promillegrenze hat die Branche 10 Prozent Absatz gekostet. Das Rauchverbot in den Restaurants kam dazu. Und dann die Arbeitssicherheits-Massnahmen: Baustellen waren früher gute Abnehmer für uns, da haben wir noch eigens Kühlschränke aufgestellt.

Aber Sie können nicht ernsthaft gegen Arbeitssicherheit sein.

Nein, natürlich nicht. Das müssen wir akzeptieren. Aber es ist klar, dass ich mich im Nationalrat gegen Vorhaben wie Mindestpreise und Verkaufsverbote am Abend wehre. Es wird einfach übertrieben! Überall will man Verbote einführen. Die im Bundesamt für Gesundheit müssen einfach beweisen, dass es sie braucht. Die Schweizer sollen doch in Ruhe ein Glas Bier trinken können.

Das eine Glas wäre ja nicht das Problem, aber wie ist es mit den jugendlichen Saufgelagen am Wochenende?

Das ist halt die Gegenreaktion. Viele Jugendliche streben eine Woche lang auf das Wochenende zu, um sich dann volllaufen zu lassen. Das kanns auch nicht sein. Ich hab mal in einem Interview vorgeschlagen, man müsse die Jugendlichen wieder mehr daran heranführen, regelmässig – zum Beispiel nach dem Turnen – zusammen das eine oder andere Glas zu trinken. Sie lernen, wie man vernünftig mit Alkohol umgeht. Da hat man mir dann vorgeworfen, ich würde den Konsum fördern.

Die CVP, in der Sie politisieren, positioniert sich als Familienpartei. Gab es Haue von den Parteikollegen?

Nein, im Gegenteil. Ich liefere regelmässig Bier für Parteiveranstaltungen. Ich habe gewissermassen das Monopol. Ich bin der einzige Brauer in der CVP und auch der einzige im Nationalrat.

Sie wurden in eine Brauerfamilie geboren. Haben Sie es je bereut, selbst Bierbrauer zu werden?

Nein, es gibt nichts Schöneres! Wegen des Politisierens kommt es leider etwas zu kurz. Mir fehlt es, am Braukessel zu stehen, mit dem Malzduft in der Nase.

Wie viel Bier trinken Sie?

Sicher einen Liter pro Tag. Leicht mehr als das, was ein Bayer im Schnitt trinkt.

Alois Gmür und seine Brauerei Rosengarten

Der 59-jährige Alois Gmür ist Braumeister und Chef der Brauerei Rosengarten in Ein siedeln, welche Bier der Marke Einsiedler Bier herstellt.

Rosengarten lag im Braujahr 2012/13 mit einem Ausstoss von 1,9 Millionen Liter auf Rang 13 der Brauereien.

Gmür, der als CVP-Nationalrat den Kanton Schwyz in Bern vertritt, präsidiert zudem die Interessengesellschaft der Klein- und Mittelbrauereien, die einen Grossteil der Regionalbrauereien vereint. Die Schweiz hat derzeit 443 registrierte Braustätten. Bei den meisten davon handelt es sich jedoch um Mikrobrauereien mit Kleinstmengen. (hec)

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