Heineken-Chef greift Feldschlösschen an

Schweiz am Sonntag – 07. Juni 2015

Interview – Länderchef Stefano Borghi will Calanda aus Graubünden herausführen und national positionieren. Der schwache Tourismus habe dem Bierumsatz von Calanda und Eichhof zugesetzt. Man spüre die Geldpolitik der Nationalbank, sagt Borghi.

Herr Borghi, die Fussball-WM in Katar wird dereinst wegen der Hitze im Winter stattfinden. Das wird sich auf ihre Bierumsätze auswirken. Wie gut sind Sie auf die Fifa zu sprechen?

Stefano Borghi: Bier ist ein Sommerprodukt, und natürlich sind unsere Umsätze besser, wenn es grosse Sportanlässe wie eine Fussball-WM gibt. In der Schweiz spüren wir aber auch schöne Wintertage, denn der Skitourismus trägt stark zum Umsatz bei.

Der letzte Winter war schlecht. Man konnte lesen, dass Sie in Graubünden starke Umsatzeinbussen hatten.

Das stimmt so für die Gastronomie. Die Geldpolitik hat starke Auswirkungen auf den Tourismus. In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres spürten wir auch beim Bierabsatz einen deutlichen Effekt. Calanda konnte dies aber ausserhalb Graubündens und im Detailhandel mehr als kompensieren. Insgesamt wächst unser Absatz.

Wie gut können Sie sich im Schweizer Markt behaupten?

2014 war ein gutes Jahr. Wir sind gewachsen, haben ein positives finanzielles Ergebnis erzielt und konnten den Marktanteil ausbauen. Der liegt jetzt bei etwa 20 Prozent.

Wie viel Umsatz machen Sie mit Heine – ken, wie viel mit Schweizer Marken?

Rund 70 Prozent des Umsatzes machen wir mit einheimischen Marken wie Calanda und Eichhof, 30 Prozent mit internationalen Marken wie Heineken oder Desperados. Heineken brauen wir aber ebenfalls in der Schweiz.

Ihnen fehlt eine nationale Marke.

Das stimmt. Das ist wohl auch der Grund, dass wir nicht Marktführer sind.

Eichhof und Calanda sind stark regional aufgestellt. Haben Sie nie darüber nachgedacht, eine Ihrer Regional marken wie Feldschlösschen national zu positionieren?

Das tun wir ja, allerdings mit einem anderen Ansatz. Mit unseren regional verankerten Bieren haben wir eine andere Ausgangssituation als Feldschlösschen. Calanda führen wir nun aber Schritt für Schritt aus Graubünden hinaus. So haben wir 2014 unsere Zusammenarbeit mit Coop ausgebaut und sind jetzt viel stärker in der Deutschschweiz und im Tessin präsent. Es ist noch zu früh, um schon von einer nationalen Marke zu sprechen. Aber das Ziel ist, mit Calanda in der ganzen Schweiz präsent zu sein und Eichhof als starke regionale Marke für die Zentralschweiz zu positionieren.

Von Winterthur aus hat die junge Brauerei Doppelleu den Markt aufgemischt. Lange wurden solche Kleinbrauereien von den Grossen belächelt, aber nicht als Gefahr wahrgenommen. Können Sie sich das heute noch leisten?

In der Schweiz gibt es mehr als 500 Brauereien. Jede Woche geht eine neue auf. Das ist toll für die Konsumenten und belebt den Markt. Aber manche dieser Brauer sind auch etwas naiv. Es braucht Know-how, um Bier in gleichbleibender hoher Qualität herzustellen.

Angestammte Brauereien passen sich an. Sie produzieren naturtrübe Biere oder spielen mit exotischen Hopfensorten. Heineken ist da zurückhaltender als etwa Feldschlösschen.

Das sehe ich nicht so. Nehmen Sie unser Ittinger. Mit dieser Biermarke haben wir vor Jahren schon vieles dieser Craft Biere vorweggenommen.

Das heisst, Sie sehen keinen Bedarf für eine Anpassung Ihres Sortiments?

Wir arbeiten konstant an unserem Portfolio, um auf veränderte Konsumentenbedürfnisse einzugehen. Beispielsweise bei den aromatisierten Bieren, wo wir Marktführer sind. Dazu gehört das Tequila-BierDesperados, aber auch das neu eingeführte Radler.

Radler ist ein Konzept, das Heineken in vielen Ländern Europas eingeführt hat. Das ist hier doch keine Innovation. Mit dem Panaché kannte man in der Schweiz schon lange so was Ähnliches.

Radler schmeckt anders als ein Panaché, es ist nicht so süss. Im Biermarkt war das die Innovation des Jahres, und es kommt beim Publikum gut an. Zudem gelang es uns, den Markt zu erweitern, denn 50 Prozent des Umsatzes stammen nicht aus dem klassischen Biersegment, und 50 Prozent der Konsumenten sind Frauen. Wir haben nun auch eine alkoholfreie Variante lanciert.

Was läuft im Bereich der traditionellen Biere?

Bei Calanda und Haldengut lancieren wir neue Biere in Bügelflaschen, und bei Eichhof hatten wir sehr gute Reaktionen auf unser naturtrübes Jubiläumsbier. Gleichzeitig führen wir das belgische Affligem auf dem Schweizer Markt ein. Hier profitieren wir als Tochter eines internationalen Konzerns davon, dass wir Produkte übernehmen können, die im Ausland erfolgreich sind.

Heineken wurde die Schweizer Nummer 2 durch den Kauf von Brauereien. Sind weitere Käufe denkbar?

Man soll nie nie sagen, aber ich sehe derzeit keine Gelegenheiten.

Vor zwei Jahren haben Sie in Luzern die Flaschen-Abfüllanlage geschlossen. Jetzt fahren Sie das Eichhof-Bier nach Chur zum Abfüllen und dann in Flaschen zurück. Ist das nicht unsinnig?

Wenn es unsinnig wäre, würden wir es nicht tun.

Wäre es nicht günstiger, alles Flaschenbier in Chur zu brauen?

Vielleicht. Wir haben aber entschieden, dass Eichhof-Bier grundsätzlich in Luzern gebraut wird. Indem wir alles Bier in Chur abfüllen, sparen wir Geld. Das erhöht auch die Rentabilität der Luzerner Brauerei und sichert damit den Standort. Eichhof produziert effizienter als zuvor und ist eine Erfolgsgeschichte.

Sie arbeiten seit 18 Monaten in der Schweiz. Wie haben Sie sich eingelebt?

Schnell. Ich bin ja selber fast ein Schweizer. Ich bin in Norditalien, in Mailand, aufgewachsen. Da lebt man schon sehr nahe an der Schweizer Kultur.

Betrifft das auch Ihre Beziehung zu Bier? Einen Italiener verbindet man nicht unbedingt mit einer Brauerei.

Ich habe eine neue Welt kennen gelernt, als ich vor neun Jahren zu Heineken kam. Heineken kannte ich natürlich. Aber ich war der typische Gelegenheitstrinker. Dann lernte ich, dass es auch beim Bier viele verschiedene Stile und Nuancen gibt, dass es wie beim Wein auf die Gegend ankommt.

Welches Bier, das nicht von Heineken stammt, würden Sie einem guten Freund empfehlen?

Ich nenne keine Marken, aber generell mag ich Amber-Biere. Das hat vielleicht damit zu tun, dass ich mich als Weintrinker ans Bier angenähert habe und daher intensivere Sorten vorziehe. Und ich mag Weizenbiere.

Warum gibt es bei Ihnen kein Schweizer Weizenbier im Sortiment?

Sie könnten natürlich alles machen. Aber ich finde, dass das nicht passt. Für mich hat Bier auch mit Herkunft und Identität zu tun. Ein Weizenbier sollte für mich aus Deutschland kommen. Daher gibt es bei uns keine Pläne für Schweizer Weizenbier.Globaler Konzern, Italienischer Chef, Schweizer Bier

Stefano Borghi (48) leitet seit 2013 das Schweizer Geschäft von Heineken. Der Italiener mit Hauptwohnsitz in Mailand arbeitete zuvor für den Heineken-Konzern und Nestlé. Zu Heineken gehören die Schweizer Marken Calanda, Eichhof, Ittinger, Ziegelhof und Haldengut. Eichhof wird in Luzern gebraut, alles andere sowie das in der Schweiz vertriebene Bier der Marke Heineken stammt aus Chur. Heineken ist die Nummer 3 des globalen Biermarkts und besitzt unter anderem die Biermarken Fosters, Paulaner und Sagres. (hec)

Stefano Borghi leitet seit knapp zwei Jahren Heineken Switzerland, im Biermarkt die Nummer 2 hinter Feldschlösschen.Mario Heller

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