AURÈLE MEYER: «Wir brauen jedes zehnte Bier, das in der Schweiz getrunken wird»

Die Appenzeller Brauerei Locher wird gerne unterschätzt. Sie ist bereits die Nummer drei in der Schweiz und wächst weiterhin stark. Wie lange noch?

Handelszeitung, 04.01.2024

Die blaue Quöllfrisch-Dose fehlt an kaum einer Studierendenparty und steht in jedem Kioskregal. Die Appenzeller Brauerei Locher punktet mit dem Heimatmarketing bei all jenen, die kein Konzernbier trinken wollen, sondern vermeintlich handwerklicher gemachtes Bier. Und ist damit längst selber zu einer Grossbrauerei geworden. 

Die einst kleine Brauerei aus Appenzell ist über die letzten Jahre stark gewachsen und macht sich daran, selbst Heineken mit seinen zwei Brauereien in Chur (Calanda) und Luzern (Eichhof) einzuholen. Noch ist Locher die Nummer drei im Markt. Doch allein in den letzten zehn Jahren hat die Brauerei ihren Absatz verdoppelt, wie Aurèle Meyer im Gespräch mit der «Handelszeitung» erklärt. 

Aurèle Meyer beim Fotoshooting mit der Handelszeitung
Aurèle Meyer beim Interview mit der Handelszeitung

Herr Meyer, viele machen nach den Festtagen erst mal einen alkoholfreien Januar. Auch der Chef einer Brauerei?

Nein, das mache ich nicht. Der Alkoholkonsum ist bei uns eher moderat und genussorientiert.

Bricht bei Ihnen im Januar der Absatz ein?

Nicht wirklich. Der Detailhandel inszeniert das ja teilweise gross, doch wir merken bei unserem Absatz davon nicht viel. Die alkoholfreien Biere legen aber generell stark zu. Hinzu kommt die Saisonalität: Im Winter verkaufen wir generell weniger Bier. Erst ab März zieht das bei uns wieder an.

Wie verlief bei Ihnen das letzte Geschäftsjahr? Viele Brauereien mussten Einbussen verbuchen.

Unter dem Strich war 2023 positiv, aber mit extremen Schwankungen. Der Mai war schlecht, der Juli toll. Aber wir merken, dass die Verschiebung von der Gastronomie in den Detailhandel, die wir während Corona erlebten, Spuren hinterlassen hat. In der Gastronomie findet eine Strukturbereinigung statt.

Ist das noch immer ein Corona-Effekt?

Corona war nur der Katalysator. Die Strukturbereinigung hätte früher oder später kommen müssen. Das alte Beizenmodell funktioniert heute nicht mehr: er in der Küche, sie im Service, sechs Tage pro Woche, 14 Stunden. Gleichzeitig legen Gastro-Unternehmen mit mehreren Betrieben zu.

Während der Corona-Lockdowns ging der Gastronomie viel Geschäft verloren. Was hat Sie als Lieferant diese Phase gekostet?

Das beziffern wir nicht konkret. Wir litten nicht so stark wie andere, weil wir viel Bier über den Detailhandel verkaufen. Nur ein Drittel unseres Absatzes geht in die Gastronomie. Und wir expandierten massiv in neue Bereiche: Etwa mit unserer Marke Brewbee für nachhaltige Lebensmittel, bei denen wir Nebenprodukte aus dem Brauprozess wie Malztreber verwerten. Oder mit Desinfektionsmitteln für die Pandemie. Da konnten wir kompensieren.

Sehen Sie auch bei den Brauereien eine Strukturveränderung? Seit zwei Jahren sinkt erstmals seit langem die Zahl der Betriebe.

Gut möglich, dass auch hier eine Konsolidierung stattfindet. Unter diesen mehr als tausend Brauereien befinden sich viele Hobbybetriebe. Da gibt es sicher welche, die nach ein paar Jahren wieder aufgeben. Anderseits gibt es einige, die aus ihrem Hobby erfolgreich ein Gewerbe aufbauen konnten. Uns hat das geholfen, denn die Bierkultur hat sich dadurch positiv verändert. Und ich hoffe, dass das auch bleibt.

Sehen Sie sich als Profiteur des Wandels?

Vielleicht ist Profiteur das falsche Wort, aber dieser Wandel nützt der ganzen Brauindustrie. Wir setzten als eine der ersten Brauereien auf Sortenvielfalt. Aber unsere ersten Spezialitäten, das Hanfbier oder das Vollmondbier, waren noch etwas ganz anderes als das, was man heute unter Craftbeer versteht. Daher haben wir letztes Jahr die neue Linie Locher Craft lanciert, über die wir auch Single Batches laufen lassen – also exklusive Biere, die nur einmal gebraut werden. Da geht es nicht zuletzt auch darum, den Brauern mehr Möglichkeiten zu geben, Ihre Ideen zu verwirklichen.

Locher ist grösser, als viele meinen. Wie viel Bier haben Sie letztes Jahr gebraut?

Das wissen wir nicht mehr …

Guter Witz! Sie sind eine der grössten Brauereien der Schweiz.

Wir sind auf jeden Fall die grösste private Brauerei, ein Familienunternehmen. Aber Feldschlösschen ist immer noch wesentlich grösser. Hinter Feldschlösschen-Carlsberg und Heineken sind wir die Nummer drei im Markt.

Die Grosse: Produktionsgebäude am Rande Appenzells

Bekannt sind vor allem die blauen Quöllfrisch-Dosen, mit denen Sie das Land fluten. Welchen Anteil machen die aus?

Die Quöllfrisch-Linie mit den verschiedenen Ausprägungen – naturtrüb, dunkel, hell – macht deutlich mehr als die Hälfte unserer Produktion aus. Viele wissen gar nicht, dass diese Marke von uns ist.

Ist es Ihnen ganz recht, dass die Leute nicht wissen, wie gross die als schnuckelig wahrgenommene Appenzeller Brauerei in Wirklichkeit ist?

Am Ende ist Grösse für den Konsumenten und die Konsumentin schwierig zu fassen. Die Leute können sich unter Hektolitern wenig vorstellen.

Dann sagen Sie es in Marktanteilen.

Wir produzieren jedes zehnte Bier, das in der Schweiz verkauft wird. 

Oder etwa 14 Prozent der Inlandproduktion. Das ist recht ordentlich, wenn man weiss, dass die einzigen noch grösseren Konkurrenten – Carlsberg/Feldschlösschen und Heineken – globale Konzerne sind.

Und wenn man unsere Geschichte anschaut! Vor dreissig Jahren waren wir eine Kleinstbrauerei am unteren Ende der Skala.

Was war der Auslöser für dieses Wachstum?

Es gab zwei wichtige strategische Entscheide: einerseits der frühe Entscheid, auf Sortenvielfalt zu setzen. Das Vollmondbier, das erste Bio-Bier, die Wiedereinführung der Bügelflaschen. Unfiltriertes Bier, was damals als altmodisch galt und viele Kundinnen und Kunden zunächst verwirrt hat.

Und der zweite Auslöser?

Das war die Einschätzung, dass eine Brauerei mit einem Aktionsradius Appenzell nicht überleben kann, sondern in die ganze Schweiz expandieren muss. Viele Regionalbrauereien blieben in ihrem Stammgebiet hängen und versuchten, das zu bewahren, was sie unter dem Bierkartell kannten. Wir dagegen suchten Händler, die eine Expansion unterstützten. Ein wichtiger Partner ist Coop, dem wir früh auch das Bio-Bier liefern konnten.

Die Kleine: Meyer posiert vor der etwas kleineren Brauanlage im Stammhaus von Locher

Sie selbst sind seit 2013 dabei. In den zehn Jahren haben Sie halb Appenzell umgebaut. 

Wir haben unsere Kapazitäten in den zehn Jahren verdoppelt. Aber das war nicht allein meine Leistung, sondern eine Folge der erfolgreichen Strategie.

Wie viel Meyer steckt in der Brauerei Locher, und wie viel ist noch der Patron, Karl Locher? Wer ihn kennt, weiss, dass der Mann nicht in Rente geht.

Die Aufgaben sind bei uns breit verteilt, da hat jeder seine Rollen – ich als CEO, der Verwaltungsrat auf strategischer Ebene. Eine wichtige Person neben unzähligen stark engagierten Kolleginnen und Kollegen für die Brauerei ist auch Hans Sonderegger, der einst technischer Direktor von Hürlimann war.

Stimmt es, dass die Expansion auch möglich wurde, weil Sie nach der Feldschlösschen-Hürlimann-Fusion im Jahr 1996 viele Leute aus Zürich übernehmen konnten?

Nicht nur Leute, sondern auch Ausrüstung. Wir konnten uns damals keine neuen Geräte leisten, sondern haben von vielen Brauereien Occasionen übernommen. Hans Sonderegger kam nach der Schliessung von Hürlimann zu uns und hat hier vor allem die Infrastrukturthemen vorangetrieben.

Wer brachte die Brauerei auf den Folklore-Trip mit Sennen und Alpenblumen?

Solche Elemente hatten wir schon früh auf unseren Etiketten.

Für Sie war es ein Glücksfall, dass die Appenzell-Marke zum Selbstläufer wurde.

Natürlich.

Gibt es so was wie ein Appenzeller Werbeclub mit Brauer, Käser und Schnapsbrenner? Faktisch teilen Sie sich die Marke.

Ja, mit allen Vor- und Nachteilen. Aber da gibt es keine offizielle Zusammenarbeit. Jeder macht sein Ding, wir spornen uns gegenseitig an. Unsere engste Partnerin in der Region ist die Mineralquelle Goba, mit der wir uns die Logistik teilen.

Sie sind national unterwegs, haben aber eine stark regional verortete Marke. Setzt das auch Grenzen?

Wichtig ist, authentisch zu bleiben. Wir können unser Appenzeller Bier nicht in Bern oder Zürich brauen und füllen auch alles vor Ort ab. Wir verkaufen keine Geschichte, die hintenrum nicht existiert.

Ihre neue Marke Locher Craft setzt weniger auf Appenzell und kommt modern-hipsterig daher. Hat das auch mit den Grenzen des Brands zu tun?

Ja, natürlich sind mit Locher Craft andere Dinge möglich als mit den Marken Appenzeller Bier oder Quöllfrisch. Man muss aufpassen, dass man eine Marke nicht überdehnt und die Identität bewahrt. Wir haben Spass daran, immer wieder neue Dinge auszuprobieren. Und natürlich geht es auch darum, ein neues Publikum damit anzusprechen.

Locher Craft: Die jüngere Marke für Spezialitäten

Wie gut läuft Locher Craft?

Das ist – gemessen an unseren Mengen – ein Nischenangebot. Die Frage ist immer: Woran misst man den Erfolg? Gewisse HSG-Ökonomen würden vielleicht sagen: Stosse 80 Prozent deines Sortiments ab, denn das verursacht nur Kosten. Aus einer reinen Finanzlogik heraus rechnen sich solche Spezialitäten eher nicht. Aber wir wollen kein Industriebetrieb sein, der nur möglichst viel Masse rauslässt, sondern auch ein Umfeld schaffen, in dem die Arbeit Freude macht. Und an dem unsere Kundinnen und Kunden Freude haben. Das hält uns langfristig attraktiv.

Und die Westschweiz? Bekommen die Romands Quöllfrisch über die Zungen?

Ein paar welsche Studenten haben mal einen lustigen Film für uns gemacht: Sie zeigten den Passantinnen und Passanten die Flasche und baten sie, den Namen auszusprechen. Natürlich haben wir ein grösseres Gewicht in der Deutschschweiz, aber wir sind auch in der Romandie präsent. Wir verstehen uns als nationale Biermarke.

Ihre Brauerei macht alles, was nicht verboten ist: Fruchtbiere, Mixgetränke, Sauerbiere, IPA – wir haben gerade ein Cola-Mixgetränk mit Ingwer entdeckt. Kennen Sie keine Scham?

Wir probieren sicher vieles aus. Oft auch auf Wunsch von Kunden oder Mitarbeiterinnen. Das Ginger Beer etwa ging zurück auf die Anfrage eines Appenzellers, der in Südafrika gelebt hat und dieses Getränk von dort kannte. Und so probierten wir da einfach mal aus. Mal funktioniert etwas, mal nicht.

Hat sich auch schon mal ein Braumeister geweigert, so eine Idee umzusetzen?

Nein. Bei uns ist allen klar: Wir brauen nicht für uns, sondern für die Kundschaft. Früher haben viele Braumeister nur gebraut, was ihnen selber schmeckte. Wer bei uns arbeitet, weiss, dass wir anders ticken.

Was war ihr grösster Flop?

Wir hatten die Hoi-Linie mit Früchten aus der Elfenbeinküste, die von lokalen Kleinbauern angebaut wurden. Das hat leider nicht funktioniert. Und weil das sehr aufwändig war – wir haben frische Früchte verarbeitet –, war das finanziell nicht tragbar, ohne eine gewisse Menge zu erreichen.

Vor allem für Whisky: Schau-Keller im Besucherzentrum.

Sie kommen ursprünglich aus der Gastronomie, sind Absolvent der Hotelfachschule. Warum wird in vielen Restaurants immer noch nur Standardbier verkauft?

Das ist sicher mancherorts noch so, aber ich sehe auch uns Brauereien in der Pflicht. Früher fuhren die Aussendienstmitarbeitenden einfach durchs Land und versuchten, mit wenig Aufwand möglichst viel Menge zu verkaufen. Wir müssen heute auch eine andere Beratung anbieten. Die Gastronomen und Gastronominnen müssen darauf vertrauen, dass die von uns empfohlenen Spezialitäten bei ihnen auch funktionieren.

In der gehobenen Gastronomie ist Bier bis heute nicht angekommen. Vergebene Liebesmüh oder eine Chance?

Es gibt schon auch Biere, die da sehr gut reinpassen. Unser Himbeer-Sauerbier ist so ein Fall. Das hat Potenzial in diesem Segment.

Starkbiere dagegen bieten Sie gar nicht an.

Ich glaube, der Trend läuft eher in Richtung alkoholreduzierte Biere. Die ersten India Pale Ales hatten 8 Prozent Alkohol und mehr. Mittlerweile sind alle runtergekommen. Auch weil man heute Bier mit interessanten Geschmacksprofilen und mit weniger Alkohol hinkriegt. Aber man soll nichts ausschliessen. Wir machen gerade ein Whisky-Single-Batch mit 8 Prozent Alkohol.

Sie brauen nicht nur Bier, sondern produzieren auch Müesli, Chips, Pizzen und veganes Hackfleisch aus Treber, dem verbrauchten Malz. Sie backen Panettone und züchten Fische, die Sie mit Hefe füttern. Verzetteln Sie sich nicht langsam?

Es gibt eine Klammer über all dem: unsere vier Grundzutaten Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Darum dreht sich alles. Wir wollen zeigen, dass man diese Rohstoffe möglichst effizient nutzen kann – auch nach dem Brauprozess.

Panettone mit Malz: Produkt aus der Brewbee-Linie

Bewegt man sich da nicht nahe am Greenwashing-Vorwurf? Sie können ja nur einen kleinen Bruchteil ihrer Brauabfälle für diese Produkte verwenden.

Da muss man unterscheiden. Auch wir nutzen Solarstrom und eigenes Biogas und haben eine effiziente Wärmerückgewinnung. Aber wir geben nicht damit an und publizieren auch keinen Nachhaltigkeitsbericht. Jedoch haben wir eine konkrete Mission: Bis 2025 wollen wir alle Nebenprodukte aus dem Brauprozess upcyclen können.

Geht es Ihnen um die Symbolik?

Nein, es geht ums Prototyping. Wir wollen anderen zeigen, was man mit Treber anstellen kann. Denn es stimmt: Selbst werden wir den wohl nie voll verwerten können – dafür fallen bei uns schlicht zu grosse Mengen an. Wir suchen daher auch Partner in der Lebensmittelindustrie, die mit unserem Vorprodukt weiterarbeiten. Uns geht es darum, keine Lebensmittel zu verschwenden. Nach dem Brauen steckt noch viel wertvolles Eiweiss im Treber. Wir müssen da auch über die Schweiz hinaus denken. Brauereien gibt es auf der ganzen Welt. Nehmen wir mal Afrika. Wenn man dort mit Nebenprodukten Nahrungsmittel herstellen kann, hat das auch eine soziale Komponente.

Dann müssten Sie ihre Technologie an Brauereien in Afrika auslizenzieren.

Das ist das Ziel. Wir sind daran, solche Kooperationen zu prüfen. Wir haben viele, die zu uns kommen und daran interessiert sind. Genaueres kann man dazu aber noch nicht sagen.

Ihre Rohstoffe stammen – ausser des Wassers – fast ausschliesslich aus dem Ausland. Wäre eine lokale Produktion von Malz und Hopfen nicht der grössere Hebel für Nachhaltigkeit?

Wir arbeiten auch mit Schweizer Malz. Aber in Süddeutschland gibt es grosse Mälzereien, die mit lokal angebautem Getreide arbeiten. Ist es am Ende nicht nachhaltiger, das Malz von dort zu beziehen, wo aufgrund der Mengen effizient produziert wird und Know-how vorhanden ist? Wir hätten in der Schweiz gar nicht das Kulturland, um genug Getreide anzubauen.

Das heisst: Bier aus Schweizer Rohstoffen bleibt immer ein Nischenangebot?

Ja, und es ist nicht per se nachhaltiger. Bern ist etwa gleich weit weg wie München. Warum soll das eine jetzt nachhaltiger sein als das andere?

Ist Export ein Thema? Beim Käse aus Appenzell funktioniert das wunderbar.

Wir produzieren auch Whisky, und da ist der Export für uns durchaus ein Thema. Anders als beim Bier ist Whisky lange haltbar und – gemessen am Wert – weniger aufwändig im Transport. Solange wir in der Schweiz noch wachsen können, macht es für uns keinen Sinn, Bier zu exportieren.

Sie sind ein Quereinsteiger in dieser Branche: Wurden Sie in den zehn Jahren auch ein wenig zum Brauer, oder sind Sie vor allem der Managementprofi?

Ich bin beides. Die ersten zwei Jahre bei Locher hatte ich faktisch kein Büro. Da stand ich viel an der Fülllinie oder im Besucherzentrum. Das war ein wenig wie damals an der Hotelfachschule. Dort machen Sie erst Küche in der Schule, dann Küchenpraktikum, dann Service in der Schule und so weiter. So habe ich das auch hier durchlebt. Man muss etwas vom Handwerk verstehen, wenn man eine Brauerei führen will.

Sie waren als Praktikant einst beim Sternekoch Anton Mosimann in London. Kamen Sie nicht auf den Geschmack der Spitzengastronomie?

Nein. Ich merkte früh, dass ich nicht der Mann bin für die Front. Darum bin ich dann auch in die Administration des Luzerner KKL gegangen und später zum Kantinenbetreiber ZFV ins Headquarter. Ich habe nebenher immer gerne im Bergrestaurant Forelle am Seealpsee gearbeitet, aber ich wusste auch, dass das nicht meine Zukunft ist. Deshalb hängte ich auch das Wirtschaftsstudium an der HSG an. Aber immer mit dem Anspruch, das Kerngeschäft zu verstehen.

Und wie kamen Sie zu den Lochers? Verwandt sind Sie ja nicht.

Ich kannte Karl Locher von meiner Arbeit in der «Forelle». Er war dort oft zu Gast mit seiner Familie. Letztlich war es ein Zufall. Gegen Ende meines Studiums war ich auf der Suche nach einem Job, und da meinte ein Bekannter, der Locher suche jemanden im Marketing. Und so kamen wir ins Gespräch.

Wie schwierig ist es als Externer, in so einen Familienbetrieb reinzukommen. Mussten Sie da auch mal um ihre Positionen kämpfen?

Ich bin kein Egomane, das war wohl eine gute Voraussetzung. Als Selbstinszenierer wäre das vielleicht schwieriger geworden. Hier im Betrieb geht es immer um die Sache und nie um die Person.

Wie nahe am Produkt sind Sie im Alltag?

Ich bin nahe dran und nehme regelmässig an Sensorikverkostungen teil. Da müssen Sie auch als Chef trainiert sein.

Das tönt traumhaft: als Erstes ein Jahr lang Bier trinken, um die Nase zu trainieren!

Das wird gerne verwechselt. Bei der Sensorik gehts nicht um das Saufen, sondern darum, in Blindverkostungen Abweichungen oder Fehler am Produkt zu erkennen und Verbesserungsvorschläge zu liefern.

Haben Sie eine gute Nase?

Ich würde mich nicht als Supernase bezeichnen. Vieles ist Training, das können Sie lernen. Wir hatten schon an der Hotelfachschule jeden Morgen Sensoriktraining.

Haben Sie auch schon gebraut?

Ja, natürlich. Zu Beginn meiner Zeit bei Locher habe ich einen Braukurs an der Doemens Akademie besucht, um die Prozesse hautnah kennenzulernen. Anschliessend braute ich ein-, zweimal auf unserer Testanlage. Aber ich bin nicht zum Hobbybrauer mutiert. Bei mir zu Hause in der Küche koche ich lieber, und in der Brauerei überlasse ich das Brauen den Profis.