(Nicht) Auf dem Holzweg

Kolumne Apero aus der Handelszeitung vom 4.3.2021

MICHAEL HEIM

Ende Jahr wurde bei unserer Vereinsbrauerei ein Holzfass angeliefert. Zum zehnjährigen Jubiläum hatten wir ein besonders starkes Bier gebraut, das nun im Fass schlummert. Ab und zu sieht man Mitglieder ehrfürchtig danebenstehen. Oder probieren.

Einst landete jedes Bier in Holzfässern, doch mit der Industrialisierung verschwanden diese aus dem Alltag. Gereift und gelagert wird Bier in Stahltanks – und auch die Fässer für die Auslieferung sind meist aus Metall. Anders als beim Wein, wo versucht wird, über die Barriquelagerung aromatische Tiefe zu schaffen, herbe Noten zu kreieren oder Röstaromen in den Wein zu bringen, galt derlei Ausbaufirlefanz beim Bier als nicht nötig. Wer Bittere wollte, verwendete mehr Hopfen. Und Röstnoten lieferte dunkles Malz. Wegen eines bisschen Eichengeschmacks wollte kein Brauer mehr das Risiko einer Fasslagerung eingehen. Und schon gar nicht die Kosten.

Doch das war die alte Welt. Seit auch beim Bier über Stile, Aromen und Zutaten philosophiert wird, tauchen überall wieder Holzfässer auf. Im Fachhandel für den nicht ganz orthodoxen Brauer finden sich auch die Eichenholz-Chips, die von Winzern schon immer gerne in die Stahltanks geworfen wurden, um Holzfass vorzugaukeln. Für den zuletzt klaren Trend zum Holzfass, zum echten Holzfass, gibt es jedoch noch einen anderen Grund: Ein Fass ist immer auch ein Abbild dessen, was vorher drin war, und das ist meist spannender als die Holznote. Reste von Sherry und Whisky bringen fruchtige bis süsse Aromen ins Bier, die aus jedem Bockbier einen edlen Tropfen machen und aus dem edlen Tropfen ein kleines Wunder.

Das Einsteigermodell kommt von Valaisanne. Die zu Carlsberg gehörende Brauerei hat gerade ein Imperial Brown Ale in den Verkauf gebracht, das in irischen Whiskeyfässern gelagert wurde. Das riecht man vor allem in der Nase. Aber auch im Mund hat das Bier eine angenehme Vollmundigkeit. Die 8,5 Prozent Alkohol vergisst man da beinahe. Etwas extremer sind zwei Beispiele aus der Ostschweiz: Bei Pilgrim in Fischingen TG steht eine ganze Batterie Fässer im Klosterkeller, in denen nur die stärksten Biere landen. Eine Wucht ist das dunkle Russian Imperial Stout. Auch die Winterthurer Chopfab-Brauer von Doppelleu beherrschen ihr Handwerk. Unter dem Label 1er Cru haben sie ein belgisches Quadrupel mit Caramel in Whiskeyfässern gelagert. Das Ergebnis: ein faszinierendes Bier und gleich mehrere Auszeichnungen.

Typisch

Alle drei Biere, die bisher unter der Edellinie 1er Cru bei Doppelleu gebraut wurden, wurden in Holzfässern ausgebraut. Nummer eins in einem Sherryfass, Nummer zwei in einem Whiskeyfass und Nummer drei in einem Rumfass. Das belgische Quadrupel mit der Nummer zwei hat uns am besten gefallen. Ein helles, malzbetontes Starkbier, das mit einer Mischung aus mehrheitlich amerikanischen Hopfen gestopft wurde. Der Hopfen bringt – jung getrunken – florale Noten, mit fortschreitendem Alter setzen sich eher Karamell und Honigaromen durch.

1er Cru 02 Brauerei Doppelleu Boxer, Winterthur. Belgian Quadrupel mit Caramel, 13,2% vol. Alk, 7,5 dl für 29 Franken.